Erste Probe nach dem Lockdown- wie war es?

Erste Probe nach dem Lockdown- wie war es?

Freitag, 19.Juni 2020, 17:45: Seit drei Monaten habe ich den Proberaum nicht mehr betreten, aber ich gehe wieder durch die Türe, mit Mundschutz. Zusammen mit dem zweiten Vorsitzenden des Musikverein Unterriexingen gehe ich den Sitzplan durch und bespreche nochmal alle Regeln. Desinfektionsmittel steht bereit, die Stühle werden mit zwei Metern Abstand aufgebaut und die Abläufe werden nochmals durchgegangen. Um kurz vor sechs kommen sie dann: meine Musikerinnen und Musiker, die ich auch ewig nicht gesehen habe. Es sind nur sieben an der Zahl, die Wiederaufnahme der Probe war ja auch sehr kurzfristig. Alle sind ein bisschen nervös, aber ich kann die Freude in ihren Augen sehen. Meinen Schlagzeuger verliere ich leider, das Fußballtraining kollidiert mit der Freitagsprobe und er trifft die Entscheidung, sich dem Fußball zu widmen. Absolut richtig, ich verstehe es. Somit habe ich in der Jugendkapelle keine Aussteiger aufgrund der langen Pause – ein gutes Gefühl.

Um kurz nach sechs starten wir dann. Ich habe mich für einen leichten Choral zum Einstieg entschieden. Der erste Gänsehaut Moment lässt nicht lange auf sich warten:

Nach ein paar Takten ziehe ich das Tempo leicht an, verändere die Dynamik und das Orchester reagiert wie „früher“ sofort. Wow, wir können es noch. Die Kids sind im Schnitt 13 Jahre alt und haben seit Monaten kaum oder gar keinen Unterricht erhalten, aber sie klingen noch wie zu Anfang des Jahres. Klar, für ein Forte muss ich sie ein wenig zwingen und aufwecken, aber das wird sich im Laufe der Probe noch verbessern.

Nach ein paar Anmerkungen und Verbesserungen gehen wir zum Programmpunkt „Wünsch dir was“ über. Wir spielen fünf Titel, die sich die Kinder wünschen. Der Alltime Favorit „Crocodile Rock“ macht den Anfang, weiter geht’s mit Bohemian Rapsody und Fluch der Karibik, zwei Stücke aus dem letzten Konzert im Oktober 2019. Um 19 Uhr lege ich dann noch ein neues Stück auf, welches ich am geplanten Adventskonzert gerne spielen möchte. Mit Highlights from Harry Potter treffe ich bei allen ins Schwarze und fürs erste Mal lesen und spielen klappt es schon ganz gut. Um kurz vor halb acht haben wir es dann geschafft. Der Ansatz ist weg, aber alle sind glücklich und freuen sich auf die nächsten Proben.

Mit dem großen Blasorchester geht es dann um 20 Uhr weiter, in der Sporthalle, eine Tür nebenan. Hier spiele ich Saxophon. Es ist selten geworden, dass ich in der Probe da bin, denn ich dirigiere zur selben Zeit den Musikverein Ochsenbach. Dort geht es erst nächste Woche wieder los.

Auf dem Programm steht die schöne Polka „Ehrenwert“ von Martin Scharnagel. Ca 20 von 35 Musikerinnen und Musikerin sind kurzfristig zur Probe gekommen. Die große Sporthalle zeigt schon beim Einspielen ihre Tücken. Die Flöten hören sich gar nicht, die ganz hinten sitzenden Tuben sind sehr gut zu hören, und natürlich sind die erste Trompete und ich zu laut. Unser Dirigent fährt ein anderes Konzept als ich. Wir proben die Polka eine Stunde lang, anstatt erstmal bekannte Titel zu spielen. Die Noten für Ehrenwert wurden vor einigen Wochen verschickt, wirklich geübt aber nicht. Nach einer Stunde intensiver Probe klappt sie aber schon ziemlich gut. Das Es3 in der ersten Trompete darf natürlich nicht fehlen, auch wenn ich auf dem Sax mitgeholfen habe. Das macht einfach super Spaß und gefällt auch dem Dirigenten.
In der zweiten Probehälfte wird dann nochmal eine neue Polka geprobt und zum Schluss dann noch ein moderner Titel aus dem letzten Sommerproramm.
Um 22 Uhr ist der Ansatz im Blech wirklich verflogen und es ist Zeit, aufzuhören. Auch hier sind alle super glücklich und es wird nach der Probe mit Sicherheitsabstand noch ein Weilchen geredet.

All in all: ein super Freitagabend. Ungewohnt aber doch gewohnt. Man hat sich eben an die probefreie Zeit gewöhnt, aber ich bin froh, wieder freitags gewohnt in die Probe gehen zu dürfen. Ein Konzert ist mit den aktuellen Abstandsregeln nicht möglich, aber wir hoffen, dass sich das noch ändern wird bis Ende des Jahres.

Nächste Woche bin ich dann endlich wieder als Chefdirigent in Ochsenbach tätig. Die Vorfreude im Orchester und bei mir sind riesig. Mal sehen wie das wird.

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