Der Weg ins Musikstudium

Der Weg ins Musikstudium

Es ist Juli 2016. Ich habe mein Abitur mit einem denkbar knappen Ergebnis abgelegt, aber bestanden ist bestanden. Der Fokus liegt längst vollständig auf der Musik.
Ich bin dem Rat meines Saxophonlehrers Jürgen Faas gefolgt und habe an zwei Berufsfachschulen für Musik vorgespielt. Bei einer Berufsfachschule bekommt man neben dem Hauptinstrument auch Unterricht in Musiktheorie, Gehörbildung, Gesang, Musikgeschichte etc. und kann sich somit ideal auf die Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule und auf das Studium vorbereiten. Da diese Schulform nur in Bayern angeboten wird, zog ich im September 2016 in eine kleine Wohnung ins beschauliche Bad Königshofen – ein weiterer Schritt in die Selbstständigkeit.

Anfangs gefiel mir meine neue Schule sehr. Ich hatte zwei tolle Saxophonisten in meiner Klasse und auch sonst war das Umfeld weitestgehend sehr gut. Meine neue Instrumentallehrerin war studierte Klarinettistin und ganz anders als Jürgen. Ganz auf eine Wellenlänge kamen wir nie, dennoch lernte ich sehr viel von ihr.
Neben den ganzen Theoriefächern wurde auch das Fach Ensembleleitung unterrichtet, vom Schulleiter Prof. Ernst Oestreicher. Ein tolles Fach. Ich entdeckte die Liebe fürs Dirigieren.

Im Oktober 2016 machte ich noch schnell meinen D3-Lehrgang im Kreisverband Ludwigsburg auf dem Saxophon, denn ich bin mit drei weiteren Freunden auf dem C1 Kurs des Blasmusikverbands über das Jahr hinweg gewesen und brauchte den D3, um im Januar 2017 die C1 Prüfung machen zu können. Der D3 stellte mich zu dieser Zeit vor keine große Herausforderung und auch der C1 wurde mit der Bestnote 1,0 bestanden.

Im Jahr 2017 übernahm ich dann mein erstes Orchester: die Jugendkapelle meines Heimatvereins Musikverein Unterriexingen. Der Jugenddirigent hörte nach 14 Jahren überraschend auf und ich wurde gefragt, ob ich das Orchester übernehmen möchte. Klar will ich – und zwar langfristig. Im Herbst 2016 hatte ich noch eine böhmische Besetzung gegründet und somit leitete ich in der 250km entfernten Heimat zwei Orchester. Die Arbeit als Dirigent bereitete mir unheimliche Freude, doch lernte ich schnell die Kehrseite dieser Medaille kennen.

Mir ging es in Bayern psychisch immer schlechter. Die Liebe zum Saxophon schwand immer mehr. Die kleine Wohnung wurde mein Rückzugsort. Ich war abends lieber online mit meinen Freunden in der Heimat verbunden, als auf Partys in Bad Königshofen zu gehen.
Die alte Gewohnheit des Unterrichtbesuchs aus der Gymnasialzeit schlich sich langsam ein. Meine Beziehung wird 2017 eine „On-/Off-Beziehung“, was mich psychisch noch mehr belastete. Meine Saxophonkollegen machten unerwartet Aufnahmeprüfungen an Musikhochschulen und verließen nach dem ersten Jahr die Schule schon wieder.
Das erste Schuljahr geht zu Ende und im September wollte ich mit neuem Plan den Traum des Musikstudiums angehen. In Mannheim wurde ein Studiengang vorgestellt, der es möglich machte, Blasorchesterleitung direkt im Bachelor zu studieren. Mit dem zuständigen Professor Pallhuber verstand ich mich am Telefon sehr gut und ich verpasste, nur weil ich die Frist der Aufnahmeprüfung nicht einhalten kann, die Möglichkeit, Bad Königshofen zu verlassen.

Die anfängliche Euphorie verflog endgültig Anfang 2018. Das entscheidende Erlebnis dafür war die Orchesterphase mit dem Schwäbischen Jugendblasorchester, ein Klangkörper, der in mir alles veränderte. Ein Dirigent vor dem ich so viel Ehrfurcht hatte, dass ich mich nicht mal traure ihn anzusprechen. Meine damalige Freundin Sofie stellte den Kontakt her, denn wir wussten: Toni Scholl unterrichtet ebenfalls in Mannheim Blasorchesterleitung.
Nach einem kurzen Gespräch vor der Probe war klar: Ich muss mich entscheiden, in welche Dirigierklasse ich will, denn Prof. Pallhuber und Toni Scholl haben unabhängige Klassen. Nach einer Masterclass auf dem IBK 2018 und einem ersten Unterricht bei Toni in Mannheim gab es nur noch eins für mich: dieser Klasse angehören und von diesem Mann lernen.

Stolz erzählte ich meine Pläne in Bad Königshofen. Doch dort traf ich nur auf Unverständnis. Professor Oestreicher hält nichts vom Plan Musik mit Hauptfach Dirigieren zu studieren. Ich solle Saxophon studieren und dann im Master bei ihm Blasorchesterleitung in Würzburg machen. Alles andere mache keinen Sinn. Die erlernte Dirigiertechnik von Toni Scholl zeige ich in einer Dirigierstunde. Auch davon hält er nicht sonderlich viel.
Das Thema neuer Dirigierlehrer und Studienort Mannheim war der entscheidende Wendepunkt.

Ich werde in Bad Königshofen nicht mehr glücklich. Ich ging nur noch selten zur Schule, lernte lieber Partituren und übte Dirigieren. Unser Verhältnis verschlechterte sich.
Im Sommer 2018 spielte ich insgesamt zwei Aufnahmeprüfungen: in Frankfurt und in Mannheim. Alle weiteren Fristen waren abgelaufen.
In Frankfurt fiel ich schon nach dem Saxophonvorspiel durch. In Mannheim nicht. Ich bestand das Probedirigat mit 21 von 24 Punkten – ich darf für den Rest antreten. Alles verlief prima bis auf die Gehörbildungsprüfung, die bereitete mir Bauchschmerzen.
In Bayern machte ich halbherzig meinen Abschluss und ging nur noch an Prüfungstagen nach Bad Königshofen. Nach der Verabschiedung verließ ich gegen 0 Uhr die Feier und fuhr am Tag darauf noch vor Mittag mit gepacktem Auto nach Hause. Eine wahre Befreiung.
Doch ein Brief Ende Juli brachte dann den Tiefpunkt: ich bestehe in Mannheim wegen eines einzigen Punktes nicht. Der Schlag sitzt.

Was nun? Doch nochmal nach Bayern? Auf gar keinen Fall. Nach dem ich eine enttäuschende Antwort auf eine Email erhielt, in der ich mich für die Mühen bedanke, fällt diese Option einfach raus.
Ich entschied mich ein halbes Jahr zu warten und dann mit einem Plan B das nächste Semester zu fokussieren.

Ich bin mittlerweile seit einem halben Jahr in einer neuen Beziehung und wir planen zusammen zu ziehen. Nach dem verhängnisvollen Tod meines geliebten Großvaters beschließen wir in die Wohnung über meiner Oma zu ziehen und sie zu unterstützen, denn auch das Leben in meinem Elternhaus harmoniert überhaupt nicht.
Ich renovierte also im Herbst und Winter 2018 die neue Wohnung und machte sonst nichts. Außer, dass ich mich auf eine Dirigentenstelle eines Oberstufenblasorchesters bewarb und diese Stelle bekam. Ich war mit nur 21 Jahren jüngster Dirigent eines Musikvereins in meinem Landkreis. Das gab mir neuen Mut.

Ende 2018 beschloss ich, alles auf eine Karte zu setzen. Ich gab der Musik und mir noch eine einzige Chance: Mannheim. Ich werde nur dort vorspielen. Gleichzeitig bewarb ich mich an einigen Hochschulen für wirtschaftlich orientierte Studiengänge.
Im Januar 2019 dann nochmal eine Phase mit dem Schwäbischen Jugendblasorchester. Toni machte mir nochmal Mut und weckte in mir einen enormen Ehrgeiz. Ich musste es schaffen. Ich verstehe mich mit diesem Mann wie mit keinem anderen Lehrer zuvor. Ich fing an zu üben, vor allem Gehörbildung paukte ich.
Ich spielte meine Aufnahmeprüfung ein zweites Mal.
Ich bestand mit einem sehr guten Ergebnis und konnte es kaum fassen. Alle anderen Hochschulen lehnen mich übrigens ab.
Im März 2019 startete ich ins Musikstudium und bereue keinen Schritt auf meiner Reise bis hier her.

Ich bin in meinem Traumstudium angekommen. Meine Kommilitonen und ich sind alle auf einer Wellenlänge. Ich bin mit Abstand der jüngste der Klasse aber wir verstehen uns sehr gut.
Und Toni? Über diesen Mann schreibe ich einen extra Blogeintrag, denn das was er mir gibt, ist einfach unglaublich.

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