Warum bin ich Dirigent geworden?
Die Frage ist relativ leicht zu beantworten, weil es mir gefällt, meine musikalischen Ideen umsetzten zu können und weil ich einfach oft ein zu großes Ego habe, um mir was sagen zu lassen (zwinker).
Aber ich möchte kurz beschreiben, wie ich überhaupt zum Taktstock gekommen bin.
Wie gesagt: ich habe ein ziemlich großes Ego, stehe gerne irgendwie im Mittelpunkt, setze meine Meinung meistens in Diskussionen und Gesprächen durch und entwickle lieber selbst Ideen und Aktionen in der Gruppe, als einfach mitzumachen.
Mit 15 wird mir mein erster Taktstock geschenkt und ein Dirigierbuch. Ich bin sofort begeistert und mache meine ersten Dirigierbewegungen.

2015 bekommt mein Musikverein einen neuen Dirigenten, der in meinen Augen so viel falsch macht, dass ich gar nicht mehr hinschauen kann. Ich entdecke meine Liebe zur böhmischen Blasmusik und auch hier fällt mir auf, dass mir keine Kapelle die Musik gut genug spielt. Ich schiebe alles auf die Schuld des Kutschers. Vielleicht ist mein damaliger Charakter der Grund, warum ich mir einbildete, alles besser machen zu könne. Also gründe ich meine „Blaskapelle Junges Blut“, um meiner Vorstellung von böhmischer Blasmusik gerecht werden zu können.
Wenn ich Konzertvideos schaue, war es mir relativ egal, wie toll zum Beispiel der Klarinettist klingt oder im Blasorchester der Saxophonsatz. Ich schaue mir den Dirigenten sehr genau an, ich bin quasi 100 Prozent auf ihn fixiert. Das wird mir spätere noch einen Stein in den Weg legen, aber dazu gleich.
Ich möchte mich ausbilden lassen zum Dirigenten und mache den C-Basis-Kurs beim Blasmusikverband BW. Ein Jahr später kündigt der Dirigent meiner Jugendkapelle und ich übernehme das Steuer. Ich hatte davor schon ein oder zwei Proben dirigiert als Vorbereitung und Vertiefung der Aufgaben des C-Basis-Kurses.
Viele meiner Freunde spielen in der Jugendkapelle und sind mit der Arbeit des Dirigenten des Blasorchesters auch nicht zufrieden. Wir entscheiden das besser zu machen und spielen ein Jahr später ein Jugendkonzert, dass alle im Verein umhaut. Mir macht es unendlich viel Spaß, mit meinen Freunden zu arbeiten und ich kann mich gut entwickeln. Nach einem Jahr scheiden meine Freunde größtenteils aus – altersbedingt.
Danach wird es meine Aufgabe, mit sehr jungen Musikerinnen und Musikern ein neues Ensemble aufzubauen.
Ich bin mittlerweile in Bayern fast mit meiner Ausbildung fertig (alles nachzulesen hier) und beginne langsam mein Studium bei Toni Scholl, der mir im Übrigen als erster zeigen kann, welchen Unterschied ein Dirigent ausmacht.
In dieser Anfangszeit möchte ich viel erzwingen, ich denke, ich bin weiter als ich es wirklich bin, und anstatt meine eigene Technik zu entwickeln, ahme ich andere Dirigenten nach. Ein Fehler, der mir erst gar nicht auffällt. In der Jugendkapelle kann ich die Schuld auf die Unerfahrenheit der Musikerinnen und Musiker schieben.
Bei meiner ersten praktischen Phase mit Toni funktioniert mein Gefuchtel aber nicht mehr – die Musiker können prinzipiell nach einem Dirigenten spielen (anders als meine Kids in der JuKa) aber bei mir verstehen sie nichts …. Toni führt mir vor Augen, wie viel ich noch zu lernen habe. Und es fruchtet. Ich werde ehrlicher in meinem Dirigat und sauberer. Ich dirigiere so gut ICH es kann, und ahme nichts nach. Die Jugendkapelle spielt plötzlich auf einem ganz anderen Niveau. Durch die Beobachtung anderer Proben im Hinblick auf Didaktik und Methodik, überarbeite ich auch meine Probenarbeit und es wird noch besser. Mit nur 15 Mitgliedern spiele ich in Unterriexingen mit einem Altersdurchschnitt von ca. 13 Jahren ein Niveau, was ich nur bei viel größeren und etwas älteren Jugendkapellen finde.
Bei meinem Musikverein Ochsenbach kann ich meine musikalischen Ideen nochmal ganz anders umsetzen, denn die Fertigkeiten am Instrument sind natürlich viel höher als in der Jugendkapelle.
Bei beiden Amateurorchestern verfolge ich das Ziel, musikalische Fehler aufzuklären, was frühere Dirigenten, unter denen ich gespielt habe, nicht gemacht haben.
Man könnte meinen, ich weiß und kann alles besser – das ist nicht so. Ich weiß durch mein Studium und meiner Beschäftigung mit der Musik wohl einiges mehr als ein durchschnittlicher Amateurmusiker und ich möchte dieses Wissen weitergeben und anwenden, denn oft sind es Kleinigkeiten die einen großen Unterschied ausmachen können. Bei sehr guten (Amateur)Musikern gibt mein Blog über das Thema Orchester und Dirigent die Antwort.
Ich merke schnell, dass man als Dirigent eine Technik lernen muss, denn nur so kann man ein Ensemble gut führen und zeigen, was wichtig im Stück ist. Probenmethodik etc kommt natürlich on Top zum einen durch ein Studium und zum anderen durch Erfahrung. Ich sehe seit einiger Zeit das Orchester als mein Instrument und das möchte ich studieren, um große und professionelle Orchester später leiten zu können. Deshalb studiere ich Musik nicht mit einem Instrument als Hauptfach, sondern Musik mit Dirigieren im Hauptfach. Denn die Möglichkeiten, mich musikalisch zu „verwirklichen“ sind meiner Meinung nach am Pult größer. Zudem traue ich mir nicht zu, meinen Fertigkeiten am Instrument lebenslang professionell hoch halten zu könne, um Orchesterstellen und große Konzerte spielen zu könne. Meine Leidenschaft zum Dirigieren ist einfach größer als die zum Saxophon, und deshalb habe ich hier mehr Energie und weniger Angst vor der Zukunft.